Irgendwie gelingt es mir beim Flug ein wenig zu schlafen und als ich erwache wirde es gerade hell und die Karpaten sind zu sehen – Erinnerung an die ebenfalls ungeplante, WUNDERnvolle Tramptour 20 Monate zuvor. Nach 11 Stunden landet der KLM-flieger planmäßig in Amsterdam – durch die Zeitverschiebung ist es hier natürlich erst kurz nach halb Neun Morgens. So bin ich nach knapp 9 Monaten wieder in der Mitteleuropäischen Zeit. In Amsterdam habe ich 8 Stunden Aufenthalt und dann geht es bei Sonnenuntergang in einer knappen Flugstunde wieder ein klein wenig ostwärts bis Stuttgart. Mein Papa holt mich am Flughafen ab und damit er keinen Parkplatz nehmen muss warte ich vor dem Flughafengebäude – leider herrscht Stau auf der Autobahn, so dass ich in der Winternacht mit meinen dünnen, kurzen Sri Lanka Klamotten fast erfriere bis er endlich kommt. Nach knapp 30 km Autofahrt sind wir dann zuhause bei meinen Eltern in Aidlingen – mit insgesamt gut 9000 km und 22 Stunden habe ich genügend Abstand hinter Sri Lanka und mir gelassen. Mama und Papa weinen beide vor Freude. Sie waren die ganzen Monate über sehr sehr tapfer! „Wir wissen ja, dass das Leben auf dich aufpasst weil du so denken kannst“ – war 9 Monate zuvor ihr Antwort zu meiner Frage was sie zu m/einer unbestimmten Radtour denken – aber – nur ein paar Wochen bevor ich in diesem, für sie so fernen, unbekannten Land in Gefangenschaft kam, starb mein jüngerer Bruder Uli an Krebs – es war einfach auch viel für sie, unsere wunderbar aufopferungsvollen Eltern. Gestärkt durch ein komfortables Bett (ohne Nachtruhestörung durch laut diskutierende Afrikaner und 35 Grad tropische Schwüle) sowie reichhaltiger und liebevoll zubereiteter Mama-Hausmannskost heißt es jetzt, schnellstmöglich, mit Xiao via Chat- und Email-Kontakt all die vielen, benötigten Dokumente für ihre Ausreise aus China zu mir nach Schweden zu organisieren. Schon während meiner letzten Abschiebelager-Tage hatten wir uns um die Beantragung einer „Aufenthaltsgenehmigung für einen (zukünftigen) Ehepartner oder Zusammenlebenden in Schweden“ gekümmert aber mussten geschockt feststellen, dass diese mit 14 bis 18 Monaten Wartezeit verbunden ist – und das ist in Xiaos schrecklicher Situation natürlich undenkbar!!! Schließlich versteckt sie sich seit ihrer Abschiebung nach China, am 29. November, mittlerweile bei 6 verschiedenen Freundinnen in 4 verschiedenen Städten!
Inzwischen sind Xiao und Xin alleine im kleinen Appartement da ihr Freund seine Eltern besucht – so war es ursprünglich geplant, aber durch Xiaos ungeplante, frühzeitige Abreise von Victoria, ermöglichte das Leben ihr noch ein paar Tage zu dritt viel über Probleme und Abgründe in (vermeintlicher) Liebe zu erleben.
Ende Januar „feiert“ Xiao mit Xin in Peking das chinesische Neujahrsfest – das erste Mal in ihrem Leben ohne ihre Familie! Und ich darf Anfang Februar (unerwartet) mit Mama und Papas Brüdern und deren Frauen Papas 78. Geburtstag feiern.
An meinem Abreisetag, fragt mich Alyoush schüchtern-beschämt, ob ich ihm Geld leihen könne, da sein mühsam ersparter Heimflug verfallen ist, wegen eines „Fehlers“ der hohen, korrupten Herren der Einwanderbehörde! Ich bitte ihn niemandem von dem Geschenk zu sagen und bekomme Erlaubnis in den Ort zu gehen um Geld abzuheben und fahre dann via TukTuk-Taxi eine Ortschaft weiter um es in Dollar umzutauschen. Am Nachmittag zurück im Lager muss ich beginnen meine Sachen zu packen, da der Abschiebe-Fahrer mit einem Kombi wegen des sperrigen Radkartons für 21.30 Uhr bestellt ist. Nach dem Packen und ein letztes Mal den „Genuss“ von Reis in Zeitung, gibt es noch die herzliche Verabschiedung von meinen Lagerfreunden. Als mein Bewacher/Fahrer (der mich zur Abschiebung an den 45 km entfernten Flughafen bringen soll) mit einer halben Stunde Verspätung um 22 Uhr eintrifft, dauert es ganze 15 Minuten bis man das Vorhängeschloss des Gitters um unsere Baracke endlich aufbekommt und dann stellt sich noch heraus, dass er nicht wie abgemacht mit einem Kombi gekommen ist. Er scheint genervt und hochnäsig und hilft mir natürlich auch nicht beim Schleppen meines Gepäcks zum Pickup – aber ich bekomme wenigstens mit einiger Mühe alles verstaut. Bevor ich einsteige, fragt er mich welchen Weg er nehmen solle – Bundesstraße oder Autobahn? „Sie sind hier zuhause, Sir, nicht ich“ ist meine verwirrte Antwort – „ja, meint er, aber ohne Autobahn könnte es knapp werden – und die Autobahn kostet extra!“ Er will tatsächlich Geld von mir!?! „Erstens habe ich meine gesamten Restrupies an die Mitinsassen verteilt – und zweitens ist es nicht meine Sache rechtzeitig zu starten – ich bin schon viele Stunden startklar!“ Er nimmt die Bundesstraße und versucht mir unterwegs permanent Angst zu machen, dass am Flughafen sicher eine lange Schlange wäre und ich dann eben meinen Flug verpassen würde! Dann fragt er mich warum ich im Gefängnis gewesen wäre und ich meine es wäre zu komplex ihm dies zu erklären – er lässt nicht locker und als ich es ihm erzähle, unterbricht er mich laufend mit dem Einwand das sei doch alles total gelogen!?! „Sir, lassen sie mich doch bitte einfach in Ruhe – ich bin genug provoziert worden“ ist mein müder Kommentar. Wenn ich frech werden würde, könne er mich sofort ins Lager zurückfahren! „Sie können mir keine Angst machen – inzwischen nicht mehr Sir!“„ Als er dann nach Xiaos Alter fragt und meint ich hätte wohl überhaupt keinen Skrupel, reicht es mir. Ich verliere jeglichen Respekt vor ihm und lass ihn das jetzt auch deutlich hören. „Nur weil in ihrem Land Wahrheit und Rechte mit Füßen getreten werden und die Geldgier so groß ist, dass es zu einem Pädophilen-Paradies geworden ist, sollten sie nicht davon ausgehen, dass alle Menschen so sind!“ Jetzt habe ich meine Ruhe! Rechtzeitig vor Mitternacht am Flughafen angekommen, geht er mit mir wie selbstverständlich an der kleinen Warteschlange vorbei direkt zum Eincheck-Schalter – so viel dazu – die vor Geldgier dummdreiste Verlogenheit hatte ich, vorher im Auto, vergessen zu erwähnen!!! Als ich mein Gepäck und das Fahrrad aufgegeben habe (bei dem mir auffällt, dass ich meinen Fahrradsessel im Camp vergessen habe – muss wohl unter ein Bett gerutscht sein), geht es mit meinem nunmehr freundlich-zuvorkommenden Begleiter zum Flughafen-Büro der Einwanderbehörde. Als ich da so sitze und auf meinen Pass warte, ruft plötzlich ein Mann vom Flughafengang herein: „Ha! Dich kenne ich! Ich weiß wer du bist!“ – er meint mich! Schnell springe ich auf und gehe direkt auf ihn zu (er erschrickt, wollte er doch wahrscheinlich mir Angst machen!) und sage ihm frech ins Gesicht: „Wenn sie mich kennen, dann sind sie einer der korrupten Lügner da oben!“ – und als er wütend wird, füge ich schnell und laut hinzu „wenn sie ein wenig Charakter haben und nicht nur eine große Klappe, dann geben sie mir ihren Namen – meinen kennen sie ja. Ich kann alle Namen da oben für die EU, die euch gutgläubig unterstützt, gut gebrauchen!“ Außer sich vor Wut entfernt er sich sehr schnellen Schrittes! Im Internierungslager hatte ich erfahren (nachdem mich das Schild „EU-subventioniert“ an unserem Gebäude interessierte), dass die EU nicht nur die Gebäudesanierungen gesponsert hat, sondern die Einwanderbehörde über 20 Euro pro Tag und „Gast“ bekommt – da die tatsächlichen Kosten der beschämenden Unterbringung und Verpflegung weit darunter liegen dürften, versteht sich von selbst, dass man über großen und lange dauernden „Besuch“ überhaupt nicht abgeneigt ist!!! Ich versuche eigentlich immer alle Menschen durch Mitgefühl und Verständnis zu verstehen/lieben – aber irgendwie scheint es seit dem Kidnapp-Versuch doch ein wenig (zu) viel für mich gewesen zu sein! Als mein Reisepass nach Mitternacht endlich fertig ist, bringt mich „mein Abschiebe-Fahrer“ Richtung Gate. Unterwegs verrät er mir, dass auch er in der Führung der Einwanderbehörde gearbeitet hätte, aber von dieser furchtbaren Lügen-Korruption dort oben regelrecht krank geworden sei und deshalb jetzt nur noch Fahrdienst mache. Das Virus scheint aber leider noch in ihm, aber hoffentlich sagt er ja diesmal die Wahrheit, wäre schön weil er jetzt sogar noch meint, dass ich in Ordnung wäre! Wir umarmen uns zum Abschied und als ich am Gate stehe gibt mir meinen Pass mit dem „REMOVED“ Stempel. Eine Stunde später sitze ich im KLM-Flieger gen Amsterdam und irgendwie kann ich es erst richtig glauben und mich entspannen, als wir in der Luft sind – gebranntes Kind… riecht schlecht! 😉
Am späten Vormittag (eigentlich war, wie schon ein paar Tage zuvor, der frühe Morgen geplant) holen uns (PaulFrank) schwerbewaffnete Polizisten für den Transfer zum Gericht im Lager ab. Als sie uns Handschellen anlegen wollen kann ich ihnen klarmachen, dass wir, wie sie ja hoffentlich wissen, nicht auf dem Weg ins Gefängnis sondern zu unserer Freiheit sind.
So geht es nun im Gefängnisbus zum 1,5 km entfernten Gangodawila-Gericht. In der Schnellgericht- „Abstellkammer“ müssen wir (PaulFrank) bestätigen, dass wir die komplette „Rechtsprechung“ unseres Falles anerkennen, da er nur so abgeschlossen werden kann! Danach frage ich den Richter, ob ich noch etwas persönliches vorbringen dürfe (zum Schrecken des Anwalts) und als dieser bejaht: „Sir, ich möchte sie fragen ob ihnen bewusst ist, dass dieser Polizist (2 Meter neben mir – der mit dem Prügel auf Pauls Kopf…) sie mehrmals belogen hat – das letzte Mal als sie ihn bei der letzten Verhandlung am 5. Dezember fragten ob meine Freundin noch im Lager sei.“ Ich verstehe natürlich nicht was der Richter mit dem Polizisten spricht, aber er scheint ihn wirklich damit zu konfrontieren, weil dieser sich kleinlaut zu verteidigen scheint – und als der Richter sich wieder mir zuwendet setze ich fort: „Sir, ich sage ihnen dies nicht weil ich ihn wegen der dreisten Gefühllosigkeit seinen Mitmenschen gegenüber verurteile – sein Hass ist schon selbstzerstörend genug – ich sage es ihnen, da ich während dieses Albtraumes, den meine Freundin und ich in den letzten dreieinhalb Monaten in ihrem einzigartig schönen, kleinen Land erleben mussten, immer wieder mal auch herzlich mitfühlende Menschen treffen durfte, die versuchten gerecht und fair zu sein – die aber durch unehrliche Menschen denen sie vertrauten, sei es gewollt oder ungewollt, leider ein Werkzeug der Korruption und damit natürlich auch selbst unglaubwürdig wurden! So kann man sicher schwerlich einen weiteren materiellen und geistigen Verfall aufhalten. Da sie auch ein herzlicher und mitfühlender Mensch zu sein scheinen, wünsche ich ihnen, dass sie kein solches Werkzeug zu sein brauchen.“ Der Polizist versteht es natürlich nicht – denn es ist auch wieder kein Dolmetscher da! Er würde es sowieso nicht verstehen, da Hass und Angst ja bekanntlich blind machen – Augen und Verstand – blind für das Gute und für Not! Unser Anwalt ist fassungslos wegen meiner Worte – denn so dreist-korrupt und geldgierig man hier auch ist, die Angst vor der (ehemals) gewaltig-korrupten Polizei und Justiz ist immer noch übermächtig. Doch der Richter hat mich wohl verstanden/gespürt – er lässt uns (Paul/Frank) gehen. Er scheint wohl nicht, im Gegensatz zu vielen anderen Sri-Lankesen, einen „arroganten und geilen (weil ein junges Mädchen verführenden) Ketzer“ in mir sehen zu wollen/müssen! Nachdem ich mich vom Richter per Handschlag dankend verabschiede (hätte ihn gerne umarmt aber er ist, vielleicht zum Glück nicht aufgestanden) und der Anwalt (immer noch geschockt wegen meiner für ihn Dummdreistigkeit) verächtlich meint er würde in den nächsten Tagen wegen der Bezahlung im Lager vorbeischauen, geht es, mit der Vorfreude auf meine baldige Freiheit (Abschiebung nach Deutschland – da ich einen deutschen Reisepass habe), im Gefängnisbus zurück zum nahen Abschiebelager.
Zurück im Lager heißt es für mich jetzt hoffen, dass meine Abschiebepapiere (wie vom Richter versprochen) spätestens am nächsten Tag bei der Migrationsbehörde sind. Der junge, schüchterne Pakistani Alyoush (hier auf dem Bett mit unserem chinesischen Lagerkollegen), der mir mein ehemaliges Bett überlassen hat und zunehmend mehr Vertrauen zu mir findet, bucht gerade einen Flug um in die Heimat abgeschoben zu werden. Das lieblose, dürftige und einseitige Reis-Essen stößt vor allem den Mitbewohnern auf, die schon viele Monate hier sind und deshalb landet es nicht selten in der Mülltonne vor den Toiletten – ganz zur Freude der Hunde und Ratten oder am Gitter für die Streifenhörnchen. Immer wieder gehe ich ins Büro des neuen Lager-Officers und bitte ihn doch nochmals wegen meinen Abschiebepapieren nachzufragen. Als dann der Rechtsanwalt kommt und sein „Honorar“ möchte, sage ich ihm, dass sein Auftrag für mich natürlich nicht abgeschlossen ist, solange meine Papiere nicht kommen und frage ihn auch warum der Herzstein und die Wildrose, die ich ihm am 28.11. in der Gerichtszelle für Xiao gegeben hatte, nicht bei ihr angekommen sind. Da wird er wütend und schreit beim Weggehen ausfällig beschimpfend, dass ich das blöde Geld behalten solle. Tags darauf wirft mich der neue, herzliche Lagerofficer wütend aus dem Büro, weil ich nicht locker lasse wegen meinen Papieren. Später lässt er mich wieder rein und gesteht mir verzweifelt, dass er auch nicht wisse was los sei denn es wäre alles sehr sonderbar in meinem Fall. Da umarme ich ihn herzlich und sage ihm es täte mir leid, dass er wegen der Korruption seiner Chefs so leiden müsse. Kurz darauf bittet er mich schnell hinaus, da sein oberster Chef käme! Diesen fange ich später vorm Büro ab um ihn zu fragen ob er wisse, dass man da oben Informationen über mich an unberechtigte Menschen (Aroshas Name erwähne ich nicht) weitergeben würde? Das interessiere ihn nicht, meint er herablassend. „Mich aber sehr und die EU eure Arbeitsweise bestimmt auch, wenn ich nicht bald hier raus komme!“ reagiere ich – und als ich ihn nach seinem Namen frage, rastet er total aus! Mehrfach schreiend, dass man seinen Namen nicht bekommen könne, verlässt er schnell das Lager. Es tut mir weh, diesen Menschen in ihrer Not aus dummdreister Korruption und Geldgier auch noch drohen zu müssen – aber es scheint das Einzige zu sein was hilft, denn… …am nächsten Tag sind dann wider erwarten plötzlich meine Papiere komplett und fertig, so dass ich meinen Flug buchen kann – für den 24.01. um 2 Uhr morgens von Colombo via Amsterdam nach Stuttgart. Am übernächsten Tag erlaubt mir der herzliche Lagerofficer sogar alleine das Lager zu verlassen um mich noch ein wenig auf dem Polizeigelände ums Lager umzusehen. So sehe ich zufällig (und verstehe nun), dass die Officers sich Fleisch aus dem Feuertopf in der schäbigen Küche holen, bevor die Reisportionen mit nur noch ein wenig Soße fürs Lager in Zeitung gewickelt wird.
Das Wunder meiner möglichen Abschiebung kommt am Silvester-Nachmittag – erstaunlich genug durch den korrupten Lager-Officer, den ich 6 Wochen zuvor vor Gericht umarmt habe, unmittelbar nachdem ich wegen seiner Falschaussage zu Gefängnis verurteilt wurde. Während er sich am Silvester-Nachmittag herzlich-freudig an meinem Bett von mir verabschiedet, da er (im Prinzip durch mich) eine neue Stelle am Flughafen bekommen hat, wundert er sich warum ich immer noch da sei?! Als ich ihm sage, dass ich (PaulFrank) Ende Februar meinen nächsten Gerichtstermin habe, sagt er: „Mein Gott, hat dir niemand erklärt, dass dies nur gilt wenn du dich nicht in dein Heimatland abschieben lässt? Sofort gehe ich mit dem neuen Officer zur Polizeiwache – aber der Polizeichef ist natürlich nicht da. Diesen verschlafe ich, während Xiao mit ihren Uni-Freundinnen feiert.
Erst ein paar Tage später als der Polizeichef von seinem Urlaub zurück ist bestätigt sich die Aussage des ehemaligen Lagerofficers. Trotz der Hilfe des neuen, herzlichen Lager-Officers (der sogar zittert als wir gemeinsam vor dem Polizei-Officers stehen um wegen meiner möglichen Abschiebung zu fragen – so groß ist immernoch die Angst vor dem ehemaligen Polizeistaat) schafft man es irgendwie (sei es durch Schlamperei oder absichtliche Zeitgewinnung), meinen Abschluss-Gerichtstermin nochmals gut 2 Wochen hinauszuzögern. Damit der Paul/Frank-Fall vor Gericht beendet werden kann braucht es nochmals „meinen“ Rechtsanwalt, weil die Officers hier im Internierungslager nur mit ihm „zusammenarbeiten“ (dürfen)!? Da Paul kein Geld hat, komme ich natürlich gerne auch für seine Anwaltskosten auf – schließlich hat er mir dieses „Abenteuer“ ermöglicht.
Plötzlich wird unsere Bewachung vervielfacht und sogar vom höheren Gebäude auf der anderen Straßenseite hinter unserer Baracke werden wir überwacht – denn – wie es sich für einen richtigen Albtraum gehört, bekommen wir für ein paar Nächte sogar noch einen eiskalten, chinesischen Profikiller als Bettnachbar!? Unterdessen lässt Xiao in Tianjin eine Geburtsurkunde anfertigen für eine Aufenthaltsgenehmigung in Schweden. Xiaos Tante (hat einen einflussreichen Mann mit 2 Krankenhäusern) bittet sie plötzlich herzlich doch zu ihr nach Baotou zu ziehen um ihr mit den Hunden zu helfen – aber es stellt sich heraus (was ich auch gefühlt habe), dass sie doch wider ihrem Versprechen wegen Xiao`s Situation mit deren Eltern in Kontakt steht. Als Xiao ablehnt bittet ihre Tochter, Xiaos Kusine, sich mit ihr zu treffen und als Xiao das auch ablehnt schält sich auch noch der einflussreiche Onkel ein und versucht Xiao zum Kommen zu überreden indem er anbietet mir aus dem Lager nach China zu helfen!?! Da Zara Mitte Januar in den Semesterferien zu ihren Eltern geht, nimmt Xiao die Einladung ihrer Uni-Freundin Victoria an und zieht nun vom Studentenzimmer mit Zara von Tianjin mit dem Zug 4 Std. und 700 km südlicher zu Victoria in die Wohnung ihrer Eltern in Qingdao – wobei der Vater momentan auf Geschäftsreise ist. Victoria ist homosexuell, was aber ihre Eltern natürlich niemals wissen dürfen. Aus der sonst so emanzipierten Victoria wird zuhause in Gegenwart der Mutter ein kleines unbeholfenes Mädchen ohne Stärke. Es scheint auch hier ein verstecktes Drama zwischen den Eltern und der Tochter zu geben – Leben weiß, wie wichtig es für Xiao ist, zu verstehen was in ihrem Land wirklich gespielt wird. Da Victorias Mutter fast nicht mit Xiao spricht, entscheidet sie sich schon nach ein paar Tagen zu ihrer Freundin Xin zu ziehen die mit ihrem Freund in Peking in einem Appartement wohnt.
Im Lager angekommen erfahre ich vor der Frauenbaracke, dass Xiao vor einer Woche deportiert wurde – die Gefängnis-Gerüchte also glaubwürdiger als der Richter! Die Russin in der Frauen-Baracke (ist schon länger mit ihrem Baby und ihrer Mutter im Lager) der sich Xiao anvertraut hatte gibt mir meine Tasche mit den Wertsachen und dem Smartphone. Xiao wartet wie wahnsinnig via Whatsapp schon 2 Tage auf meine Rückkehr und ist überglücklich. Sie erzählt mir, dass sie sich schon vor über einer Woche, unter dem großen Einschüchterungsdruck der Einwanderungsführung (nach 10 verzweifelten Tagen alleine mit ihrer schrecklicher Angst und einer Menge Schmerzen in Körper und Seele) für die Abschiebung nach China entscheiden musste und fragt mich jetzt, ob ich ihr deshalb böse wäre? (Was für eine Frage – meine Liebe versteht – und mein Vertrauen ins Leben nimmt an was kommt und ist – wie könnte ich ihr da böse sein.) Jetzt erfahre ich vom Wunder in letzter Sekunde ihrer wahnsinnigen Familie entkommen zu sein durch den mitfühlenden Angestellten der Einwanderungsbehörde und dass sie in China angekommen sofort bei einer Freundin untergetaucht sei und endlich ihre inzwischen gefährlich infizierten Wunden im Krankenhaus behandeln lassen konnte. Xiao meint ich solle doch nachschauen ob noch alles Geld da wäre, weil die Russin sie über Whatsapp gefragt hätte, ob viel Geld bei den Wertsachen sei, da anscheinend die Polizei im Lager gewesen wäre und die Tasche durchstöbert habe. Es fehlt alles an Rupien und viele 100 Euro – meine absolute Not-Reserve! Als ich es der Russin erzähle, bekommen es die anderen Frauen mit. Sie sind sich alle sicher, dass nie die Polizei da war und eine Frau behauptet sogar, gesehen zu haben wie die Russin an einem Tag heimlich viel Geld ihrem sri-lankischen Mann auf Besuch zugesteckt hat. Da es sich natürlich schnell im ganzen Lager herumspricht wollen alle, dass ich den Diebstahl bei der Polizei melde um die Russin zu überführen. Ich versuche meinen aufgebrachten Mitinsassen zu verstehen zu geben, dass es ein Geschenk an sie in ihrer furcht-baren Not sei, da sie doch leider (noch) zu stolz ist, um Hilfe zu bitten und dass eine Anzeige diese Not, vor allem für ihr Baby, bestimmt nicht kleiner machen würde – was bei der Not jedes Einzelnen im Lager natürlich nicht verstanden wird. Obwohl mein ehemaliges Bett jetzt ein junger Pakistani hat, macht dieser sofort für mich Platz und schläft fortan auf dem Tisch daneben. Mahmoud der Iraker im Bett neben mir nimmt es mir übel, dass ich die Russin nicht angezeigt habe – aber auch er ist korrupt und unfair den anderen gegenüber – ich sende ihm viel Liebe – mal sehen warum mir das Leben sofort wieder den Platz so dicht an seiner Seite zukommen lässt. In China musste Xiao inzwischen mit dem Zug ins Appartement zu ihrer Freundin Eve nach Tianjin umziehen, da Qing den Druck nicht aushält, den die Polizei auf Xiaos Freundinnen ausübt um sie zu finden – die Eltern lügen also weiter um ihre Tochter einzufangen – jetzt bei den chinesischen Behörden.
In Tianjin ist es Winter und Xiao hat mit Schuldgefühlen, ihrer Familie gegenüber, bis zur selbstzerstörenden Schmerzgrenze zu kämpfen. Im Lager herrscht Tristesse-Alltag. Am deutlichsten wird dieser durch den Sri Lankesen symbolisiert der apathisch seine Runden dreht und sich anscheinend als Amerikaner ausgebend schon ein halbes Leben hier verbringen „darf“ – psychiatrische Behandlung auf srilankesisch. Meine Situation im Lager sehe ich nun so: ohne ein Wunder werde ich wohl, wegen der Lügen und Korruption noch länger hier gefangen gehalten werden. Wie ich von Lakshita (der Armee-Officer der uns das Motorrad lieh) zufällig erfahre als er mich im Lager besucht, werde ich auch beschuldigt Polizisten geschlagen zu haben – aber dieser Lüge nachzugehen, daran scheinen weder Richter noch Anwalt wirklich interessiert. Solange Xiaos Familie die hohen Stellen in Sri Lanka so beeinflussen kann und die deutsche Botschaft, wie es scheint, keine Mittel gegen diese korrupten Verhältnisse hat oder weiß, werde ich Xiao wohl schwerlich wiedersehen können – und unser Wunsch, einfach und in Frieden/Liebe miteinander zu leben scheint sich, wenn überhaupt, nur in ferner Zukunft erfüllen zu können – aber – Leben weiß Auch wenn ich hier im Internierungslager wieder hinter Gittern bin und weiterhin Ratten sowie einseitiges Essen herrschen – zumindest haben wir Kontakt via Smartphone und ich habe ein Bett mit Moskitonetz, wenn auch ohne Matratze – und das Wichtigste: Xiao scheint, fürs Erste zumindest, vor ihrer Familie in Sicherheit zu sein.
Vor Weihnachten hat Eve keinen Platz mehr für Xiao weil die Mutter zu Besuch kommt und deshalb zieht sie zuerst ins 1 Std. entfernte Wohnheim ihrer Hochschul-Freundin Zia und ein paar Tage später zu unserer Freundin Zara in das Studentenwohnheim ihrer ehemaligen Nankai-Univerität. Im Lager wird in unserem Nebenbau weihnachtlich gekocht – immer unter Kontrolle und Anweisung von Mahmoud wie es scheint. Die Leute kaufen ihm sein Schauspiel der Stärke/Autorität zur Kompensierung seiner Not ab, deshalb darf er es sich erlauben den korrupten Officer zu schmieren um öfters spät Abends unbehelligt über den Zaun hinterm Gebäude steigen zu können um ins Spielcasino und zu seiner Freundin gehen zu können die er dann am nächsten Tag am Telefon, zur Freude der Lagerkumpels, wie ein Sklaven-Flittchen behandelt. Während Xiaos Infektionen allmählich heilen, bekommen wir im Lager an Heilig Abend eine für mich schockierende Bescherung: Als ich am frühen Morgen durch lautes Motorengeräusch aufwache, springe ich erschrocken auf um Feuer zu alarmieren da alles in unserer Baracke total vernebelt ist. Wie es sich herausstellt ist es der ganz normale Wahnsinn der Stechmückenbekämpfung – als wenn der tägliche Rauch der Plastikmüll-Verbrennung genau vor unserer Barackentüre nicht schon Gift genug wäre. Mahmoud und seine Freunde denken (religionsbedingt) natürlich nicht an Weihnacht und bei mir will verständlicherweise keine richtige Weihnachtsstimmung aufkommen – eingesperrt bei 40 Grad und gut das doppelte in Prozent an Luftfeuchtigkeit! Ein WUNDERnvolle Weihnachtsgeschenk ist, dass ich mich an Xiaos Liebe zu mir trotz ihrer furcht-baren Situation erfreuen darf und sehr dankbar bin für unseren ständigen Kontakt via Whatsapp und Facebook der schon früh morgens nach dem Aufstehen, auf der Terrasse mit den Hunden zu meinen Füßen beginnt. Zwischen den Festtagen bittet mich Mahmoud um Geld für ihre Kocherei zur Essensaufwertung und meine Ration wird ab dann auch etwas bereichert.
Am 5. Dezember geht`s im Gefängnisbus wieder zum Gangodawila-Gericht, wo uns (PaulFrank!?!) der Richter mitteilt, er würde uns nicht mehr zurück ins Gefängnis schicken und dass wir deshalb wieder ins Internierungslager gebracht werden würden – von seiner Idee mit unserer Visum-Verlängerung während der 12 weiteren Gefängnis-Tage, scheint er nichts mehr zu wissen – aber das bestätigt ja nur mein Gefühl das ich eh gleich hatte! Ich frage den Richter, ob Xiao noch im Lager sei? Nachdem er den Polizisten (der in Zivil auf Pauls Kopf den Prügel zersplittern wollte) gefragt hat antwortet er mir, ja, das sei sie! Mit feuchten Augen bedankte ich mich. Fast hätte ich vor Freude überhört, dass unser nächster Gerichtstermin Ende Februar ist!?! Auch wenn ich es nicht verstehen kann und will – das ist jetzt nicht so wichtig!!! Doch anstatt ins Lager kommen wir wieder ins Gefängnis. Das sei normal ist Pauls (erfahrener Sri Lanka Knasti) coole Antwort auf der Rückfahrt im prallvollen, vergitterten Gefängnisbus – der auch noch den Geist aufgibt. Zuvor sind wir hier drinnen einer Schlägerei mit anderen Gefangenen nur knapp entgangen, die Paul aus einer Laune heraus extrem provoziert hatte – mit mir an sein Handgelenk geschellt wohlgemerkt!!! Als ich nun genauer wissen will, warum wir nochmals ins Gefängnis zurück müssten, wird er hochnäsig frech zu mir. Das ändert sich aber, als ich ihn frage ob es ihm nicht bewusst sei, dass er ohne meinen entsetzten, sehr lauten Ausruf (der aus mir in Sri Lanka automatisch Pauls Komplize und damit Mittäter machte) vielleicht nicht mehr so überheblich sein könne – als geistiger Idiot oder 1,80 Meter tiefer – nach einem auf seinem Kopf zerborstenen dicken Prügel! Von da an ist unser Respekt gegenseitig! Als wir den Gefängniskomplex erreichen sehe ich erstmals den vorweihnachtlichen Andrang der Häftling-Angehörigen mit Nahrung.
Während Xiao ihre Wunden bei Qing in Baoting pflegt warte ich am nächsten Tag ab 6 Uhr morgens vorm Officer-Büro auf meine Entlassung. Paul scheint es nicht so wichtig – er hat hier mehr Freunde als im Lager! Am Abend meint der hohe 2-Sterne-Officer, der mich schon den ganzen Tag vertröstet hat, dass es ihm leid täte, aber es wäre momentan kein Personal da um uns zum Lager zu bringen – aber gleich morgen früh! Das Selbe am nächsten Tag! Nach weiteren Stunden des Wartens seit 6 Uhr morgens und gutgemeinten Vertröstungen meine ich verärgert zu ihm, dass die allgemeine Unzuverlässigkeit in seinem Land die großen Probleme sicher nicht geringer machen würde. Plötzlich werden alle untergeordneten Offiziere und Wärter im Büro abrupt leise und ich sehe Schadenfreude in vielen verbitterten Augen, da sie sicher erwarten, dass ich jetzt Höchststrafe bekommen werde – aber der hohe Officer sagt nur ganz mild, doch so, dass es alle im Raum hören können: „Dieser Mann hat recht – er ist ein guter Mensch“ „Ich würde sie gerne Umarmen wenn uns das Leben eines Tages unter menschlicheren Umständen wieder zusammenkommen lässt – mit mehr gefühlvollen Menschen wie ihnen, in brisanten Positionen, hätten wir eine bessere Welt!“ sage ich mit Tränen in den Augen zu ihm. Hat mich der mitfühlende, hohe Offizier wirklich nur gespürt oder hatte der zuvor so mürrische, gefühlskalte Wärter, dem ich energetisch helfen durfte, nicht nur mich überglücklich von seiner kleinen Wunder-Heilung wissen lassen? Diese herzliche Begegnung macht den Entlassungsaufschub erträglicher – auch wenn ich mein Wiedersehen mit Xiao natürlich kaum mehr erwarten kann. Beim Entlassungsarzt wird klar, wie wichtig diese Begegnung mit dem hohen 2-Sterne-Offizier war, kann doch der Officer (den er anscheinend mehr zu meinem Schutz als zur Bewachung mit mir geschickt hat) gerade noch verhindern, dass dieser herzlos arrogante Arzt mich noch im allerletzten Moment als psychisch krank in die Psychiatrie einliefern lässt – danke liebes Leben! Vom Gefängnis werden wir (PaulFrank) in einem normalen PKW zur Migrationsbehörde ins 6 km entfernte Battaramulla gefahren. Hier müssen wir stundenlang warten, bekommen Essen und werden schriftlich aus dem Gefängnis entlassen bevor es 5 km weiter zum Abschiebelager in Mirihana geht.
Wie selbstverständlich komme ich vom Gericht (trotz der nicht besseren Infektionen) nicht zurück zur Krankenstation sondern wieder ins Gefängnis. Im Abschiebelager kontaktet Xiao den Anwalt und hat Kontakt mit Ashen in Panadura der nach uns fragt. Inzwischen hat Xiao zur Abschiebung eine Kopie ihres Ersatzpasses bekommen und die Daten des gebuchten Fluges. Am Abend des 28. November wird sie zum Flughafen gebracht, da es kurz nach Mitternacht zurück nach China gehen soll – wie durch ein Wunder kann sie in letzter Sekunde ihrer wahnsinnigen Familie entkommen konnte durch den mitfühlenden Engel (Angestellten der Einwanderungsbehörde) der seine Vorgesetzten erst informierte als Xiao schon in der Luft ist, so dass ihre Familie (die noch in Sri Lanka war) sie nicht, wie geplant, am Flughafen ab- und einfangen konnte. „dass das Leben mir, seit ich ihm so total vertraue, immer Hilfe/Engel schickt – spätestens im allerletzten Moment!“ hatte ich ihr 3 Wochen zuvor auf dem Weg zum Richter gesagt und nicht nur unzählige Male auf meiner inzwischen fast 7-monatigen, ungeplanten und dadurch WUNDERnvollen Reise erfahren dürfen. Von all dem, was bei/mit/um Xiao geschieht, weiß ich im Knast natürlich nichts.
Nach viereinhalb Stunden Flug landet Xiao auf dem Flughafen Kunming-Changshui wo sie eigentlich geplant hatte den Weiterflug nach Tianjin verfallen zu lassen falls ihre Familie sie in Peking abfangen wollte – aber sie wirft den Plan bei der Freundin in Kunming unterzutauchen über den Haufen und hofft die 3 Freundinnen die auf dem Flughafen in Tianjin auf sie warten wollen können sie abschotten falls es nötig werden würde. Nach weiteren 3 Stunden Flug landet sie unbehelligt in Tianjin, wo sie ihre 3 Freundinnen Victoria, Qing und Zara freudig in Empfang nehmen. Nach etwas Aufenthalt mit den Freundinnen in Tianjin geht es via Schnellzug weiter zu Qing`s Appartement in Baoding (160 km – 1 Std.)
Während Xiao am nächsten Tag im nahegelegenen Krankenhaus ihre extrem infizierten Wunden von schockierten Ärzten behandeln lässt, herrscht im Gefängnis der ganz normale Alltagswahnsinn und Nachtrazzia.
Anfang Dezember erfahre ich über mehrere Umwege (habe inzwischen viele Mitgefangene herzlich erreicht), dass Xiao angeblich nicht mehr im Lager sei?! Wieder beginnt es mich fast zu drehen – aber Leben weiß… …und lässt mich sogar noch einem wegen Armbruch-Schmerzen ständig mürrischen und zeitweilig aggressiven Wärter energetisch helfen, nachdem ich ihn vorsichtig aber herzlich um Erlaubnis gefragt habe! Bei einem Verwalter darf ich mit einer Gitarre das Herz öffnen und bei der Hilfe in der Küche (wo zwar wenig hygienisch aber dafür auf offenem Feuer gekocht wird) finde auch ich etwas Abwechslung und besseres Essen während Xiao in Baoting ihre Füße zur Heilung schont.
Nach etlichen Versuchen (trotz Richterbeschluss) in der Knast-Ambulanz wegen meiner zunehmenden Infektionen am rechten Unterbein Überweisung für die Krankenstation zu erreichen, eröffnet mir am 26. November endlich eine mitfühlende, kompetente Ärztin endlich dorthin – 200 m weiter im riesigen Werlikada-Gefängniskomplex. Leider sind auch hier die Bedingungen trotz eines eigenen Bettes nicht wesentlich besser – der stinkenden Uralt-Matratze würde ich den Steinboden vorziehen, wenn ich nicht so Schmerzen hätte – einzig Platz ist etwas mehr vorhanden – für die Kranken und die Ratten.
Im Abschiebelager hat Xiao erfahren, dass ihre Eltern und Schwester immer noch in Sri Lanka sind und hat deshalb den Verdacht, dass sie abgeschoben werden soll um von ihnen am Flughafen abgefangen zu werden. Sie kontaktiert einen vertrauenswürdigen Angestellten der Migrationsbehörde und bittet panisch um Hilfe. Auf der Gefängnis-Krankenstation setzt ein Gefangener Hilfs-Pfleger meinem Leiden die Krönung auf, der mir den Eiter aus der 1 cm großen, schwarzen Wunde mit seinem dreckigen Daumen-Fingernagel auszudrücken versucht – als ich ihn aus Schock und Schmerz fast erschlage, verzieht er sich wundernd. Zum Glück kommt später auch hier eine herzliche und endlich kompetente Ärztin, die sich hinter meinen Infektionen auch für meine/unsere unglaubliche und recht aussichtslose Situation interessiert und sie verspricht mir sich darum zu kümmern, dass ich morgen zu meinem Gerichtstermin komme. So geht`s nach 2 Nächten in der Knast-Krankenstationam am Morgen des 28. November im Gefängnisbus zum Colombo-Gericht-1. Zu meiner Enttäuschung/Verwunderung, ist keine Xiao da!?! Der ehemals herzliche Richter wirkt mitleidig bis kühl und redet nur mit dem Anwalt! Dieser erklärt mir auf dem Weg zurück zur Gerichtszelle, dass der Richter mit seiner Zustimmung diesen Fall (vom abgelaufenen Visum) beendet habe – ohne jegliche Abstimmung mit mir!!! So einfach hat sich der Richter aus seinem Versprechen gewunden – und sich meine letzte Hoffnung in Luft aufgelöst – ich bin außer mir und breche gleichzeitig fast zusammen! Als ich dem (fühle ihn nicht als meinen) Anwalt durch die Gitterstäbe der übervollen, stinkig-engen Gerichtszelle für Xiao noch einen kleinen Herz-Stein und eine kleine Wildrose gebe (die ich im Knast finden durfte und wie durch ein Wunder durch die Leibesvisitation schleusen konnte) scheint er mich innerlich auszulachen! Was ist mit uns Menschen nur passiert? Warum, wo und wann haben wir unser Mitgefühl verloren, denke ich als ich versuche nicht verbittert zu sein – die vielen sri-lankischen Kinder kommen mir in den Sinn, von ihren Eltern zusammen mit dem Zimmer an pädophile Gäste vermietet – die von den Chinesen drangsalierten Tibeter – die von uns Nachbarn an die Nazis verratenen Juden – und und und…
Nach ausführlicher Leibesvisitation komme ich in einen vergitterten Schuppen indem wir zu hundert Mann dichtgedrängt auf dem Steinboden übernachten – ohne Kühlung aber dafür mit zahllosen Stechmücken! Am Morgen nach meiner größtenteils schlaflosen Nacht sagt mir der herzlicher Schuppenchef dass ich mir jetzt ein Gebäude aussuchen könne – falls es dort noch Platz hätte und der zuständige Officer nichts dagegen hätte. Da sich meine leichte Beinverletzung vom Kidnap-Kampf inzwischen auch zu infizieren scheint, weil schmerzt, gehe ich zuerst mal Richtung „Ambulanz“. Plötzlich steht ein Türke neben mir und fragt mich woher ich komme. Osman lebt in Deutschland (nur 50 m von der Schule meines Sohnes Björne!) und ist hier schon über 6 Monate unschuldig eingesperrt. Er erreicht es durch seine Knast-Freunde (junge Drogendealer von den Malediven, für die die Sri-Lankaner nur Abschaum sind und die uns als Europäer deshalb gerne helfen), dass ich in seinem Bau neben ihm schlafen darf. Durch sie bekomme ich etwas bessere Bedingungen und manchmal sogar besseres Essen und sie ermöglichen mir auch den kurzen, gefährlichen SMS-Kontakt mit Xiao. Osman ist physisch und psychisch fast gänzlich am Ende und sehr dankbar, dass ich ihm (mit meiner Energie und meinem Vertrauen ins Leben) im vielleicht letzten Moment geschickt wurde! Leben weiß! Wie die mehreren tausend Sträflinge (zumeist Drogenkriminelle) bin ich nun hier in einem der dreckig-stinkenden Bauten mit 180 Insassen auf ebenso vielen Quadratmetern untergebracht, die wir uns mit vielen Ratten und Mücken teilen dürfen. Es gibt nur eine Toilette und wir schlafen eng aneinander gepresst auf dem bloßen Steinboden. Bewacht werden wir von allzu aggressiven Wärtern, die nur darauf zu warten scheinen, brutal auf uns Wehrlose einschlagen zu können. Das einzig wirklich Schreckliche aber ist für mich: Xiao im Lager und ich haben, bis auf die gefährliche SMS-Mittelung nach 2 langen Tagen, keinerlei Kontakt mehr miteinander (offiziell gibt es natürlich keine Handys im Knast, aber die Wärter verkaufen gebrauchte an wohlhabende Gefangene zu horrenden Preisen um sie ihnen mit schwerer Prügelstrafe und Einzelhaft wieder abzunehmen wenn sie sie erwischen – und sie dann an einen anderen Häftling wieder verwuchern – wieder und wieder – ein groteskes, rentables Spiel!!!). Xiao und ich konnten uns ja nicht mal richtig verabschieden voneinander und jetzt weiß sie noch nicht einmal wo ich bin und wie es mir geht! Sie ist jetzt gänzlich alleine in diesem nicht enden wollenden Albtraum. Alleine mit ihrer panischen Angst, dass die Familie schließlich mit Hilfe der korrupten Behörden ihrer doch noch mächtig wird und uns damit endgültig trennen könnte. Wie sich später noch herausstellten sollte, ist Xiaos Familie mit einem Chinesen (wahrscheinlich der falsche Botschafts-Beamte) nach Sri Lanka gekommen, mit dessen Hilfe es ihnen offensichtlich möglich ist, Polizei, Einwanderbehörde und chinesische Botschaft zu beeinflussen indem sie über mich Lügen erzählen (z.B. ich würde Xiao Drogen geben, um sie als Sexsklavin zu benutzen und später zu verkaufen) um so Xiao einfangen und wieder unter ihre Kontrolle bringen zu können.
Nachdem Xiao am Vortag (ohne mein Wissen natürlich) die deutsche Botschaft via sms unterrichtet und um Hilfe gebeten hatte, kommen am 22. November 3 Angestellte der deutschen Botschaft zu mir in den Knast. Sie teilen mir mit, dass der Richterbeschluss vom 7.11. im Gericht momentan leider nicht aufzufinden sei?!? Aber sie bieten mir an, mich durch schnelle Abschiebung nach Deutschland aus dem Gefängnis rausbekommen zu können – fast als wären auch sie mit der Familie verbündet! „Würdet ihr euren Liebsten auf dem Weg durch die Hölle alleine lassen, damit ihn der Teufel kassieren kann? Für mich ist dieser Horror-Knast hier kein wirkliches Problem, aber meine Freundin ist total alleine und am Ende“ ist das einzige was mir dazu einfällt. Sie scheinen zu verstehen und versprechen, sich weiter um den Richterbeschluss zu kümmern.Früh am Morgen des nächsten Tages geht es wieder zum Schnell-Gericht nach Gangodawila. Eine stressig wenig menschenwürdige Aktion bevor man das Gefängnis verlassen kann und während der Fahrt im aggressiv-übervollen Gefängnisbus. Nach langer Wartezeit in der übervollen Zelle des großen Gerichtssaales komme ich endlich eine Etage höher und bei engstem Warten vor dem Schnellgericht-(Abstell)Raum bietet mir, in letzter Sekunde bevor ich vor den Richter komme, wie durch ein Wunder ein fremder Mann an zu helfen (vielleicht Anwalt), nachdem er sich während des Wartens plötzlich für meine infizierten Wunden und der unglaublichen Geschichte dazu interessiert hatte. Es ist wieder kein Dolmetscher da, aber durch den (vielleicht Anwalt-)Engel scheint der Richter zu verstehen und mitzufühlen, denn er meint, er würde mit meinem Einverständnis bei der Einwanderbehörde und Visum-Stelle versuchen zu erreichen unsere Visa verlängert zu bekommen bis zu unserem (Paul und ich scheinen rechtlich Eins!?!) nächsten Gerichtstermin am 5. Dezember! Ich bedanke mich gerührt obwohl wieder (wie auch beim Mann in der chinesischen Botschaft) etwas in mir sagt, dass es nicht funktionieren kann – denn auch der inzwischen aufgetauchte (evtl. geänderte) Richterbeschluss hat keine Wirkung! Beim Verlassen des Schnellgericht-Raumes (Abstellkammer wäre treffender) erfahre ich vom Engel, dass wir (PaulFrank) bis zu diesem nächsten Gerichtstermin wieder ins Gefängnis zurück müssten!?! Beinahe beginnt es mich zu drehen – weitere 12 Tage würde Xiao im Internierungslager keinen Kontakt mit mir haben können – ich hatte mich doch nicht 4 Polizisten wiedersetzt!?! Zurück im Knast darf ich dann verstehen, wie dringend mich Osman noch brauchte – Leben weiß!
Wieder zurück im Knast erfahre ich von meinen maledivischen Zellen-Gastgebern (im letzten Moment) dass einer ihrer Freund ins Internierungslager verlegt werden soll, was mir ermöglicht Xiao einen Brief zukommen zu lassen – leider habe ich nur ein paar Minuten auf dem Zellenboden Zeit dafür und hoffe, dass er die Leibesvisitation übersteht. Immer wieder versucht Xiao mich verzweifelt über das illegale Telefon meiner Zellen-Gastgeber zu kontaktieren – ein gefährliches Spiel da es für sie den Verlust des Telefons und Einzelhaft bedeutet. Da wir nur von 17 bis 10 Uhr im Zellen-Gebäude sein müssen, haben wir viel Zeit und Freigang innerhalb unseres Traktes. Osman nimmt mich mit in die Küche wo die Schwerverbrecher arbeiten müssen – er hilft dort immer um etwas abgelenkt zu sein. Aus Langeweile und zur Erinnerung male ich unser Gebäude. Wie wahnsinnig waschen sich die einheimischen Häftlinge draußen am Brunnen – dass durch das ständige Verbrennen des Mülls uns ständig giftige Luft umgibt und durch die Essensreste neben unserer einzigen Toilette auf der Etage unzählige Ratten angelockt werden die dann während des Pinkelns um unsere nackten Füße rumrennen scheint sie nicht zu stören – danke liebes Leben, dass ich nicht allzu empfindlich bin.
Im Abschiebelager hat Xiao nach einem Tipp den verfügbaren (einzigen – Korruption wohin man schaut) Rechtsanwalt kontaktiert, denn plötzlich kommt der Anwalt zu mir ins Gefängnis und meint, Xiao hätte ihn geschickt und sie müsse sich wohl, wegen des großen Druckes und der Drohung der Einwanderbehörden-Führung, nach China abschieben lassen. Worauf ich entgegne sie sollte doch abwarten bis zu unserem gemeinsamen Gerichtstermin am 28.11. (beim Richter der uns die 3 Wochen Frist gegeben hatte). Er geht nicht so richtig darauf ein aber nennt mir seinen Preis, falls er mich dort vertreten solle. Obwohl alles so ungenau, unverständlich und undurchsichtig ist, willige ich (durch mein Vertrauen zum Leben) ein und hoffe, dass mit seiner Hilfe der Richter die Einwanderbehörde aufklären wird.
Wider unserer Abmachung kommt am nächsten Tag niemand um mich zur Polizeiwache zu bringen. Dafür erscheint am darauffolgenden Tag (20. November) plötzlich der Polizeichef selbst im Lager, holt mich von Xiao im Frauengebäude weg und führt den Afrikaner und mich zur Wache ab, wo die Alte vom Ankunftstag mich extrem gehässig auslacht (wie ich erfahren habe, ehemalige Polizeibeamtin). Wie schon auf der Wache in Piliyandala scheint der Polizeichef wie ausgewechselt. Anstatt einer Einigung mit dem Lager-Officer komme ich wortlos zu einigen Einheimischen in die Zelle. Während Paul, der Afrikaner, sich gegen 4 Polizisten erfolgreich dagegen wehrt, flehe ich ihn an, doch nicht alles noch schlimmer zu machen. Ein Mann in Zivil kommt dazu und scheint die Polizisten wegen ihrer Schwäche gegen Paul zu provozieren, so dass sie härter gegen ihn vorgehen – als er sieht, dass sie Paul immer noch nicht richtig unter Kontrolle bringen, nimmt er plötzlich hasserfüllt einen dicken, langen Holzprügel aus der Ecke! Alles geht blitzschnell, aber ich sehe es wie in Zeitlupe – sogar schon wie Pauls Kopf durch die enorme Wucht des Prügels zerbersten wird. Erschrocken schreie ich aus der Zelle heraus „NOOOO! Tun sie das nicht, das ist Unrecht!!!“ Er ist so perplex dass er den brutalen Schlag abbricht und mich aus hasserfüllten Augen durch die Gitterstäbe ironisch anlächelt! Etwas später werden Paul und ich in Handschellen (anscheinend nur für mich eine Premiere) auf einem Polizeijeep zum nahegelegenen „Schnellgericht“ in Gangodawila gebracht. Der Richter fragt uns ob wir etwas zu den Aussagen vom Lager- und Polizei-Officer (der brutale „Zivile“ hat jetzt eine Uniform an) zu sagen hätten? Als ich ihm antworte, dass ich leider ihre Sprache nicht verstehe meint er, ja, da hätte ich wohl recht und dass zum nächsten Gerichtstermin in 3 Tagen ein Dolmetscher anwesend sein werde – bis dahin kämen wir ins Gefängnis! Nachdem ich den korrupten Lagerofficer, der auch gegen mich ausgesagt hat, mit den Worten umarmt habe: „ich hasse dich nicht – wir könnten Freunde sein wenn du mehr Mitgefühl hättest und weniger Druck durch deine wie du korrupten Bosse“, geht`s nun in Handschellen im Gefängnisbus ins 8 km entfernte Welikada-Gefängnis mitten in Colombo. Nach Mongolei, Seelenbegegnung (mit Xiao) und todnaher Krankheit wird damit meine letzte Vorstart-Intuition Realität!