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Erfahrungen

zurück im Abschiebelager…

…keine Xiao und keine Aussicht auf Freiheit bis mindestens Februar

Hier zur gesamten Radtour

Im Lager angekommen erfahre ich vor der Frauenbaracke, dass Xiao vor einer Woche deportiert wurde – die Gefängnis-Gerüchte also glaubwürdiger als der Richter!
Die Russin in der Frauen-Baracke (ist schon länger mit ihrem Baby und ihrer Mutter im Lager) der sich Xiao anvertraut hatte gibt mir meine Tasche mit den Wertsachen und dem Smartphone. Xiao wartet wie wahnsinnig via Whatsapp schon 2 Tage auf meine Rückkehr und ist überglücklich.
Sie erzählt mir, dass sie sich schon vor über einer Woche, unter dem großen Einschüchterungsdruck der Einwanderungsführung (nach 10 verzweifelten Tagen alleine mit ihrer schrecklicher Angst und einer Menge Schmerzen in Körper und Seele) für die Abschiebung nach China entscheiden musste und fragt mich jetzt, ob ich ihr deshalb böse wäre? (Was für eine Frage – meine Liebe versteht – und mein Vertrauen ins Leben nimmt an was kommt und ist – wie könnte ich ihr da böse sein.)
Jetzt erfahre ich vom Wunder in letzter Sekunde ihrer wahnsinnigen Familie entkommen zu sein durch den mitfühlenden Angestellten der Einwanderungsbehörde und dass sie in China angekommen sofort bei einer Freundin untergetaucht sei und endlich ihre inzwischen gefährlich infizierten Wunden im Krankenhaus behandeln lassen konnte.
Xiao meint ich solle doch nachschauen ob noch alles Geld da wäre, weil die Russin sie über Whatsapp gefragt hätte, ob viel Geld bei den Wertsachen sei, da anscheinend die Polizei im Lager gewesen wäre und die Tasche durchstöbert habe. Es fehlt alles an Rupien und viele 100 Euro – meine absolute Not-Reserve! Als ich es der Russin erzähle, bekommen es die anderen Frauen mit. Sie sind sich alle sicher, dass nie die Polizei da war und eine Frau behauptet sogar, gesehen zu haben wie die Russin an einem Tag heimlich viel Geld ihrem sri-lankischen Mann auf Besuch zugesteckt hat. Da es sich natürlich schnell im ganzen Lager herumspricht wollen alle, dass ich den Diebstahl bei der Polizei melde um die Russin zu überführen. Ich versuche meinen aufgebrachten Mitinsassen zu verstehen zu geben, dass es ein Geschenk an sie in ihrer furcht-baren Not sei, da sie doch leider (noch) zu stolz ist, um Hilfe zu bitten und dass eine Anzeige diese Not, vor allem für ihr Baby, bestimmt nicht kleiner machen würde – was bei der Not jedes Einzelnen im Lager natürlich nicht verstanden wird.
Obwohl mein ehemaliges Bett jetzt ein junger Pakistani hat, macht dieser sofort für mich Platz und schläft fortan auf dem Tisch daneben. Mahmoud der Iraker im Bett neben mir nimmt es mir übel, dass ich die Russin nicht angezeigt habe – aber auch er ist korrupt und unfair den anderen gegenüber – ich sende ihm viel Liebe – mal sehen warum mir das Leben sofort wieder den Platz so dicht an seiner Seite zukommen lässt.
In China musste Xiao inzwischen mit dem Zug ins Appartement zu ihrer Freundin Eve nach Tianjin umziehen, da Qing den Druck nicht aushält, den die Polizei auf Xiaos Freundinnen ausübt um sie zu finden – die Eltern lügen also weiter um ihre Tochter einzufangen – jetzt bei den chinesischen Behörden.

In Tianjin ist es Winter und Xiao hat mit Schuldgefühlen, ihrer Familie gegenüber, bis zur selbstzerstörenden Schmerzgrenze zu kämpfen.
Im Lager herrscht Tristesse-Alltag.
Am deutlichsten wird dieser durch den Sri Lankesen symbolisiert der apathisch seine Runden dreht und sich anscheinend als Amerikaner ausgebend schon ein halbes Leben hier verbringen „darf“ – psychiatrische Behandlung auf srilankesisch.
Meine Situation im Lager sehe ich nun so: ohne ein Wunder werde ich wohl, wegen der Lügen und Korruption noch länger hier gefangen gehalten werden.
Wie ich von Lakshita (der Armee-Officer der uns das Motorrad lieh) zufällig erfahre als er mich im Lager besucht, werde ich auch beschuldigt Polizisten geschlagen zu haben – aber dieser Lüge nachzugehen, daran scheinen weder Richter noch Anwalt wirklich interessiert. Solange Xiaos Familie die hohen Stellen in Sri Lanka so beeinflussen kann und die deutsche Botschaft, wie es scheint, keine Mittel gegen diese korrupten Verhältnisse hat oder weiß, werde ich Xiao wohl schwerlich wiedersehen können – und unser Wunsch, einfach und in Frieden/Liebe miteinander zu leben scheint sich, wenn überhaupt, nur in ferner Zukunft erfüllen zu können – aber – Leben weiß  Auch wenn ich hier im Internierungslager wieder hinter Gittern bin und weiterhin Ratten sowie einseitiges Essen herrschen – zumindest haben wir Kontakt via Smartphone und ich habe ein Bett mit Moskitonetz, wenn auch ohne Matratze – und das Wichtigste: Xiao scheint, fürs Erste zumindest, vor ihrer Familie in Sicherheit zu sein.

Vor Weihnachten hat Eve keinen Platz mehr für Xiao weil die Mutter zu Besuch kommt und deshalb zieht sie zuerst ins 1 Std. entfernte Wohnheim ihrer Hochschul-Freundin Zia und ein paar Tage später zu unserer Freundin Zara in das Studentenwohnheim ihrer ehemaligen Nankai-Univerität.
Im Lager wird in unserem Nebenbau weihnachtlich gekocht – immer unter Kontrolle und Anweisung von Mahmoud wie es scheint. Die Leute kaufen ihm sein Schauspiel der Stärke/Autorität zur Kompensierung seiner Not ab, deshalb darf er es sich erlauben den korrupten Officer zu schmieren um öfters spät Abends unbehelligt über den Zaun hinterm Gebäude steigen zu können um ins Spielcasino und zu seiner Freundin gehen zu können die er dann am nächsten Tag am Telefon, zur Freude der Lagerkumpels, wie ein Sklaven-Flittchen behandelt.
Während Xiaos Infektionen allmählich heilen, bekommen wir im Lager an Heilig Abend eine für mich schockierende Bescherung: Als ich am frühen Morgen durch lautes Motorengeräusch aufwache, springe ich erschrocken auf um Feuer zu alarmieren da alles in unserer Baracke total vernebelt ist.
Wie es sich herausstellt ist es der ganz normale Wahnsinn der Stechmückenbekämpfung – als wenn der tägliche Rauch der Plastikmüll-Verbrennung genau vor unserer Barackentüre nicht schon Gift genug wäre.
Mahmoud und seine Freunde denken (religionsbedingt) natürlich nicht an Weihnacht und bei mir will verständlicherweise keine richtige Weihnachtsstimmung aufkommen – eingesperrt bei 40 Grad und gut das doppelte in Prozent an Luftfeuchtigkeit!
Ein WUNDERnvolle Weihnachtsgeschenk ist, dass ich mich an Xiaos Liebe zu mir trotz ihrer furcht-baren Situation erfreuen darf und sehr dankbar bin für unseren ständigen Kontakt via Whatsapp und Facebook der schon früh morgens nach dem Aufstehen, auf der Terrasse mit den Hunden zu meinen Füßen beginnt.
Zwischen den Festtagen bittet mich Mahmoud um Geld für ihre Kocherei zur Essensaufwertung und meine Ration wird ab dann auch etwas bereichert.

meine mögliche Freiheit…

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