…ohne Verabschiedung und Kontakt mit der verzweifelten Xiao im Abschiebelager
Nach ausführlicher Leibesvisitation komme ich in einen vergitterten Schuppen indem wir zu hundert Mann dichtgedrängt auf dem Steinboden übernachten – ohne Kühlung aber dafür mit zahllosen Stechmücken!
Am Morgen nach meiner größtenteils schlaflosen Nacht sagt mir der herzlicher Schuppenchef dass ich mir jetzt ein Gebäude aussuchen könne – falls es dort noch Platz hätte und der zuständige Officer nichts dagegen hätte.
Da sich meine leichte Beinverletzung vom Kidnap-Kampf
inzwischen auch zu infizieren scheint, weil schmerzt, gehe ich zuerst mal Richtung „Ambulanz“.
Plötzlich steht ein Türke neben mir und fragt mich woher ich komme.
Osman lebt in Deutschland (nur 50 m von der Schule meines Sohnes Björne!) und ist hier schon über 6 Monate unschuldig eingesperrt. Er erreicht es durch seine Knast-Freunde (junge Drogendealer von den Malediven, für die die Sri-Lankaner nur Abschaum sind und die uns als Europäer deshalb gerne helfen), dass ich in seinem Bau neben ihm schlafen darf. Durch sie bekomme ich etwas bessere Bedingungen und manchmal sogar besseres Essen und sie ermöglichen mir auch den kurzen, gefährlichen SMS-Kontakt mit Xiao. Osman ist physisch und psychisch fast gänzlich am Ende und sehr dankbar, dass ich ihm (mit meiner Energie und meinem Vertrauen ins Leben) im vielleicht letzten Moment geschickt wurde! Leben weiß!
Wie die mehreren tausend Sträflinge (zumeist Drogenkriminelle) bin ich nun hier in einem der dreckig-stinkenden Bauten mit 180 Insassen auf ebenso vielen Quadratmetern untergebracht, die wir uns mit vielen Ratten und Mücken teilen dürfen. Es gibt nur eine Toilette und wir schlafen eng aneinander gepresst auf dem bloßen Steinboden. Bewacht werden wir von allzu aggressiven Wärtern, die nur darauf zu warten scheinen, brutal auf uns Wehrlose einschlagen zu können.
Das einzig wirklich Schreckliche aber ist für mich: Xiao im Lager und ich haben, bis auf die gefährliche SMS-Mittelung nach 2 langen Tagen, keinerlei Kontakt mehr miteinander (offiziell gibt es natürlich keine Handys im Knast, aber die Wärter verkaufen gebrauchte an wohlhabende Gefangene zu horrenden Preisen um sie ihnen mit schwerer Prügelstrafe und Einzelhaft wieder abzunehmen wenn sie sie erwischen – und sie dann an einen anderen Häftling wieder verwuchern – wieder und wieder – ein groteskes, rentables Spiel!!!).
Xiao und ich konnten uns ja nicht mal richtig verabschieden voneinander und jetzt weiß sie noch nicht einmal wo ich bin und wie es mir geht! Sie ist jetzt gänzlich alleine in diesem nicht enden wollenden Albtraum. Alleine mit ihrer panischen Angst, dass die Familie schließlich mit Hilfe der korrupten Behörden ihrer doch noch mächtig wird und uns damit endgültig trennen könnte.
Wie sich später noch herausstellten sollte, ist Xiaos Familie mit einem Chinesen (wahrscheinlich der falsche Botschafts-Beamte) nach Sri Lanka gekommen, mit dessen Hilfe es ihnen offensichtlich möglich ist, Polizei, Einwanderbehörde und chinesische Botschaft zu beeinflussen indem sie über mich Lügen erzählen (z.B. ich würde Xiao Drogen geben, um sie als Sexsklavin zu benutzen und später zu verkaufen) um so Xiao einfangen und wieder unter ihre Kontrolle bringen zu können.
Nachdem Xiao am Vortag (ohne mein Wissen natürlich) die deutsche Botschaft via sms unterrichtet und um Hilfe gebeten hatte, kommen am 22. November 3 Angestellte der deutschen Botschaft zu mir in den Knast. Sie teilen mir mit, dass der Richterbeschluss vom 7.11. im Gericht momentan leider nicht aufzufinden sei?!? Aber sie bieten mir an, mich durch schnelle Abschiebung nach Deutschland aus dem Gefängnis rausbekommen zu können – fast als wären auch sie mit der Familie verbündet!
„Würdet ihr euren Liebsten auf dem Weg durch die Hölle alleine lassen, damit ihn der Teufel kassieren kann? Für mich ist dieser Horror-Knast hier kein wirkliches Problem, aber meine Freundin ist total alleine und am Ende“ ist das einzige was mir dazu einfällt.
Sie scheinen zu verstehen und versprechen, sich weiter um den Richterbeschluss zu kümmern.Früh am Morgen des nächsten Tages geht es wieder zum Schnell-Gericht nach Gangodawila. Eine stressig wenig menschenwürdige Aktion bevor man das Gefängnis verlassen kann und während der Fahrt im aggressiv-übervollen Gefängnisbus.
Nach langer Wartezeit in der übervollen Zelle des großen Gerichtssaales komme ich endlich eine Etage höher und bei engstem Warten vor dem Schnellgericht-(Abstell)Raum bietet mir, in letzter Sekunde bevor ich vor den Richter komme, wie durch ein Wunder ein fremder Mann an zu helfen (vielleicht Anwalt), nachdem er sich während des Wartens plötzlich für meine infizierten Wunden und der unglaublichen Geschichte dazu interessiert hatte.
Es ist wieder kein Dolmetscher da, aber durch den (vielleicht Anwalt-)Engel scheint der Richter zu verstehen und mitzufühlen, denn er meint, er würde mit meinem Einverständnis bei der Einwanderbehörde und Visum-Stelle versuchen zu erreichen unsere Visa verlängert zu bekommen bis zu unserem (Paul und ich scheinen rechtlich Eins!?!) nächsten Gerichtstermin am 5. Dezember!
Ich bedanke mich gerührt obwohl wieder (wie auch beim Mann in der chinesischen Botschaft) etwas in mir sagt, dass es nicht funktionieren kann – denn auch der inzwischen aufgetauchte (evtl. geänderte) Richterbeschluss hat keine Wirkung!
Beim Verlassen des Schnellgericht-Raumes (Abstellkammer wäre treffender) erfahre ich vom Engel, dass wir (PaulFrank) bis zu diesem nächsten Gerichtstermin wieder ins Gefängnis zurück müssten!?! Beinahe beginnt es mich zu drehen – weitere 12 Tage würde Xiao im Internierungslager keinen Kontakt mit mir haben können – ich hatte mich doch nicht 4 Polizisten wiedersetzt!?!
Zurück im Knast darf ich dann verstehen, wie dringend mich Osman noch brauchte – Leben weiß!
Wieder zurück im Knast erfahre ich von meinen maledivischen Zellen-Gastgebern (im letzten Moment) dass einer ihrer Freund ins Internierungslager verlegt werden soll, was mir ermöglicht Xiao einen Brief zukommen zu lassen – leider habe ich nur ein paar Minuten auf dem Zellenboden Zeit dafür und hoffe, dass er die Leibesvisitation übersteht.
Immer wieder versucht Xiao mich verzweifelt über das illegale Telefon meiner Zellen-Gastgeber zu kontaktieren – ein gefährliches Spiel da es für sie den Verlust des Telefons und Einzelhaft bedeutet.
Da wir nur von 17 bis 10 Uhr im Zellen-Gebäude sein müssen, haben wir viel Zeit und Freigang innerhalb unseres Traktes. Osman nimmt mich mit in die Küche wo die Schwerverbrecher arbeiten müssen – er hilft dort immer um etwas abgelenkt zu sein. Aus Langeweile und zur Erinnerung male ich unser Gebäude.
Wie wahnsinnig waschen sich die einheimischen Häftlinge draußen am Brunnen – dass durch das ständige Verbrennen des Mülls uns ständig giftige Luft umgibt und durch die Essensreste neben unserer einzigen Toilette auf der Etage unzählige Ratten angelockt werden die dann während des Pinkelns um unsere nackten Füße rumrennen scheint sie nicht zu stören – danke liebes Leben, dass ich nicht allzu empfindlich bin.
Im Abschiebelager hat Xiao nach einem Tipp den verfügbaren (einzigen – Korruption wohin man schaut) Rechtsanwalt kontaktiert, denn plötzlich kommt der Anwalt zu mir ins Gefängnis und meint, Xiao hätte ihn geschickt und sie müsse sich wohl, wegen des großen Druckes und der Drohung der Einwanderbehörden-Führung, nach China abschieben lassen. Worauf ich entgegne sie sollte doch abwarten bis zu unserem gemeinsamen Gerichtstermin am 28.11. (beim Richter der uns die 3 Wochen Frist gegeben hatte).
Er geht nicht so richtig darauf ein aber nennt mir seinen Preis, falls er mich dort vertreten solle.
Obwohl alles so ungenau, unverständlich und undurchsichtig ist, willige ich (durch mein Vertrauen zum Leben) ein und hoffe, dass mit seiner Hilfe der Richter die Einwanderbehörde aufklären wird.